von Marianna Vogt - Meine Ur-Ur-Grossmutter schrieb am 10. September 1874

September 05, 2021Heike Felber
  1. September 1874

Ich bin so glücklich, ich könnte die ganze Welt umarmen.

Heute ist mein Vater von einer langen Geschäftsreise nach Hause gekommen. Ich habe ihn so sehr vermisst.

Seit meine Mutter an Tuberkulose gestorben ist, tue ich mich noch schwerer, wenn er für eine längere Zeit geschäftlich verreist. Ich habe stets Panik, dass ihm etwas zustossen könnte und ich auch ihn verlieren würde.

Nach dem Souper hat er mich in den Salon bestellt. Ich hatte solche Angst, dass Johanna, das Dienstmädchen ihr Versprechen brach und meinem Vater berichtete, dass ich mit Sophie nackig am Swimming-Pool gelegen hatte.

Er schaute mich lange prüfend an. Mir schossen währenddessen tausend Gedanken durch den Kopf, was der Grund unseres Gespräches sein könnte.

«Marie», sagte er zu mir. «Ich weiss, das Schreiben bedeutet dir viel. Ein Leben ohne Schreiben kannst du dir nicht vorstellen. Du wärst der unglücklichste Mensch, würde ich es dir verbieten. Deine Mutter hat mir oft erzählt, wie du stundenlang im Garten oder im Lesezimmer geschrieben und ihr dann die Geschichten voller Stolz vorgetragen hast.»

Warum sagte er mir all dies? Wurde ihm jetzt erst bewusst, was mir das Schreiben wirklich bedeutet?

Er berichtete mir, dass einer seiner Geschäftsfreunde neulich einen Verlag gegründet hatte. Mein Vater erzählte ihm von meiner Passion und hat ihm Kostproben meiner Geschichten überreicht. Scheinbar war er begeistert wie talentiert ich bin. Er sieht mich sogar als Jungautorin des 19.Jahrhunderts und will mich unbedingt fördern.

Ich bin so beseligt.

Ich - Marie als Autorin des 19.Jahrhunderts?

Ein Buch gewidmet für meine geliebte Mutter, die stets an mich geglaubt hatte und mich bestärkte, meinen Traum nie aufzugeben!

Hattest du die Hand im Spiel, Mama?

Geschrieben von: Marianna Vogt

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Kommentare (2)

  • Liebe Marianna, freue mich immer von dir was zu lesen, weiter so :-) .
    mache es wie deine Vorfahrin.

    Maja Ernst
  • Eine Geschichte, die unter die Haut geht – und dort bleibt. Und ich kaufe Marianna ab, dass sie die eigene Geschichte geschrieben hat. Ganz aus der Tiefe.

    Hans Stalder

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